Nazis: Weil der „Alte Fritz“ an diesem Tag starb

geschrieben von Thomas Repp

18. August 2010

Nazis wollen am 21. August in Neumünster demonstrieren und Rudolf Heß gedenken. Als Vorwand berufen sie sich auf den Todestag von Friedrich dem Großen (17.8. 1786).

Für Samstag, 21.8.2010 kündigen schleswig-holsteinische Neonazis aus NPD und sogenannten „Freien Kräften“ in Neumünster eine Demonstration im vermeintlichen Gedenken an den Preußenkönig Friedrich der Große an, dessen Todestag der 17.8.1786 ist. An diesem Tag ist aber auch der Hitler-Stellvertreter und Kriegsverbrecher Rudolf Hess gestorben.

Es ist zuweilen schon hanebüchen, mit welchen Begründungen Nazis auf die Straße gehen. Diesmal hat es den „Alten Fritz“ erwischt. König Friedrich II. von Preußen, auch Friedrich der Große oder der „Alte Fritz“ genannt gilt als ein Repräsentant des aufgeklärten Absolutismus. In dieser Form des Absolutismus wurde der Fürst nicht mehr als von Gott eingesetzter Herrscher und über jedem Gesetz stehender Souverän verstanden (Gottesgnadentum), sondern als oberster Repräsentant einer vernünftigen Staatsordnung, dessen Verpflichtung es ist, dem Allgemeinwohl zu dienen. So bezeichnete sich Friedrich II. selbst als „ersten Diener des Staates“.

Vor diesem Hintergrund ist es schon beinahe lächerlich, wenn Rechtsextreme den Todestag des „Alten Fritz“ als Vorwand nutzen, um Rudolf Hess zu gedenken. Denn an Preußens Glanz und Gloria kommen Nazis von heute weiß Gott nicht heran.

Aber es ist eben doch nicht lächerlich, wenn Nazis ungehindert marschieren dürfen. Zumal der Gedenkmarsch für Rudolf Hess seit langem eine Art Kultstatus in der rechten Szene hat. Schon seit den 1990ern organisiert diese regelmäßig geschichtsrevisionistische und den Nationalsozialismus verherrlichende sogenannte „Gedenkmärsche“ für die verstorbene Nazi-Größe in der Bundesrepublik und dem benachbarten Ausland durch. Die erreichten im Jahre 2004 ihren Höhepunkt, als sich ca. 5000 Nazis aus ganz Deutschland und anderen europäischen Ländern zentral im süddeutschen Wunsiedel zusammenrotteten, wo Hess begraben liegt. Nazidemo in Hamburg

So schlimm wie am 1. Mai 2008 in Hamburg soll es nicht werden – Widerstand Seitdem der zentrale Aufmarsch in Wunsiedel nach zunehmenden antifaschistischen Protesten (wieder) aufgrund seiner offenen Glorifizierung des Nationalsozialismus verboten wurde, finden seit 2005 immer wieder „spontane“ Nazi-Demonstration auch in Norddeutschland rund um den 17. August statt. 2008 kam es z.B. zu einem kurzen „Fackelmarsch“ von knapp 40 Neonazis in der Kieler Innenstadt, im vergangenen Jahr wiederholte sich ein ähnliches Szenario in Kaltenkirchen. Dieses Jahr hat sich die schleswig-holsteinische Naziszene offenbar auf die Strategie einer Vorwand-Demo verständigt, um offen zu ihrem Hess-Gedenken mobilisieren zu können.

Dies wiederum birgt die Gefahr, dass wesentlich mehr Rechtsextremisten an der Demonstration teilnehmen, als in den vergangenen Jahren. Bislang bewerben sowohl der Landesverband der NPD, als auch ein aus dem Kreis der neonazistischen „Aktionsgruppen“ betriebenes Internetprojekt die Demonstration.

Die Nazis wollen am Samstag den 21.8. um 11 Uhr am Bahnhof in Neumünster aufmarschieren. Antifaschistische Gruppen rufen zum Widerstand auf und bitten um Mobilisierung. „Wir werden diesem geschichtsrevisionistischen und NS-verherrlichenden Aufmarsch nicht tatenlos zuschauen“, erklärt die „Autonome Antifa-Koordination Kiel“.

Weitere Informationen:

Mobilisierung der Gegendemonstranten: http://bit.ly/aq9veN

Neumünster hat ein Problem mit Rechtsradikalen: http://bit.ly/c9ZoVX