JN-Stützpunkt Kiel: NPD leistet intensive Jugendarbeit
13. Dezember 2010
Nach mehr als zehn Jahren versuchen die Jungen Nationaldemokraten in Schleswig-Holstein wieder Fuß zu fassen. In Kiel wurde nun der erste JN-Stützpunkt im nördlichsten Bundesland gegründet.
Die Jungen Nationaldemokraten (JN) sind die offizielle Jugendorganisation der NPD. Obwohl die Organisation bundesweit nur etwa 400 Mitglieder zählt, ist sie eine durchaus ernst zu nehmende Größe in der rechtsextremen Szene. gliedern sich in einen Bundesverband und einige Landesverbände. Der Vorsitzende der JN ist Kraft seines Amtes automatisch Vorstandsmitglied der NPD. Unter anderem waren der spätere NPD-Vorsitzende Günter Deckert und Holger Apfel, heute stellvertretender Parteivorsitzender und Chef der sächsischen Landtagsfraktion, früher Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten und nutzten dies zum Sprungbrett in die Führungsetage der NPD. Die JN sind nicht in allen Bundesländern vertreten. Aktiv ist die Organisation vor allem im Süden und Osten Deutschlands. Schwerpunkt liegt in der Jugendarbeit durch „Formung und Schulung“ der Mitglieder zwischen 14 bis 35 Jahren.
Jugendarbeit ist auch oder gerade für Nazis wichtig. In Schleswig-Holstein war die NPD über viele Jahre damit völlig überfordert. Bestenfalls im Kreis der Kameradschaften konnte sich über Nachwuchs gefreut werden. Nun soll alles besser werden. Mitte Juli wurde in Kiel der erste JN-Stützpunkt eröffnet. Und die Chancen stehen gut, dass in absehbarer Zeit weitere folgen. Denn während bei den Erwachsenen seit Jahren immer die gleichen Gesichter als Nazis auffallen, gibt es für Bauernfänger jeglicher Art im Jugendbereich viel zu ernten. Generell leistet die NPD intensive Jugendarbeit. Sie gibt Nachhilfestunden, organisiert Feste und Freizeiten und besitzt eine eigene Fußballmannschaft. Zielsetzung der Partei und der JN ist es, über zunächst unpolitisch erscheinende Aktivitäten Jugendliche und Kinder an rechtsextremistisches Gedankengut heranzuführen. Unter Vorspiegelung einer jugendpflegerischen Tätigkeit betreibt sie eine gezielte Ideologisierung der Teilnehmer. Die abschreckende Wirkung, die von Neonazis früher wegen ihres martialischen Äußeren ausging, gibt es so gut wie nicht mehr. Sie passen sich äußerlich immer mehr anderen Gruppen an. Längst sind Rechtsextremisten nicht mehr an Glatze und Springerstiefel zu erkennen. Die Nazi-„Freunde“ sind vorzeigbar, sehen aus wie der nette Junge von nebenan. So geraten Jugendliche schnell in eine rechte Clique. Aus ihr können sich viele der jungen Menschen nur schwer – ohne Hilfe oft überhaupt nicht – lösen. Zudem lassen sich viele Menschen in und von der Gruppe leichter beeinflussen.
Mit Musik, Videoclips und Mitmachportalen versuchen Neo-Nazis zunehmend, im Internet gezielt Jugendliche anzuwerben. Trotz ständiger Gegenmaßnahmen habe es 2007 so viele rechtsextreme Webseiten gegeben wie nie zuvor, sagte der Projektleiter der länderübergreifenden Organisation jugenschutz.net, Stefan Glaser, bei der Vorstellung des Berichts „Rechtsextremismus im Internet“ in Berlin. Insgesamt seien mehr als 1600 rechtsextreme Webseiten entdeckt worden. Die „Kameradschafts“-Szene und die NPD hatten demnach 30 Prozent mehr Netzauftritte als noch 2006. Ganz bewusst würden dabei immer mehr „jugendaffine Lockangebote“ wie Videos als Handy-Version eingesetzt und beliebte Web-2.0-Angebote wie YouTube oder SchülerVZ genutzt.
Auch die Internetangebote haben sich zusehends gewandelt. Charakteristisch ist für viele Szene-Websites inzwischen die Gestaltung im Web-2.0-Stil. Kurze Info-Texte, moderne optische Gestaltung, Videoclips zum Herunterladen und eine unkomplizierte Kontaktaufnahme gehörten hierzu. Zudem sind viele rechtsextreme Seiten nicht mehr auf den ersten Blick als solche zu erkennen. Anstelle der früher obligatorischen Nazi-Logos bedienen sich die Betreiber Symbolen aus anderen Jugendszenen wie Graffiti.
Mit professionell gemachten Videos, die gezielt bei YouTube eingestellt werden und Links, die bei Social Communities wie SchülerVZ oder MySpace auf rechtsextreme Webseiten verweisen, verbuchen Neonazis unerhoffte Erfolge. So hat jugendschutz.net im vergangenen Jahr auf YouTube fast 700 Videos mit rechtsextremen Inhalten dokumentiert. Damit würden die Jugendlichen direkt angesprochen. Aber auch der Bekanntheitsgrad der Webseiten steigt durch die Verlinkungen enorm an. Bei einer der beobachteten „Kameradschafts“-Seiten sei die Besucherzahl nach der Platzierung bei SchülerVZ binnen eines Monats von tausend auf 6000 hochgeschossen.
Doch bei den Nazis zählen nicht nur imaginäre Freunde im Internet sondern auch echte Freunde aus dem tatsächlichen Leben. Das Wort Kameradschaft wird bei ihnen groß geschrieben. So übernehmen Neo-Nazis mittlerweile Angebote aus der klassischen Jugendarbeit. Auch im Internet, aber halt auch vor Ort in den Dörfern und Gemeinden. Beispielsweise wird den Jugendlichen Nachhilfe oder Begleitung zum Berufsberater oder zum Arbeitsamt angeboten. Praktisch ist es dann, wenn die JN Stützpunkte in der Nähe haben. Bei der Gründung des Stützpunktes in Kiel waren 60 Interessenten anwesend, der überwiegende Teil waren sehr junge Menschen. Wenn nur ein Drittel bei der Stange bleibt ist das bedenklich, wenn man bedenkt, dass die JN bundesweit nur etwa 400 Mitglieder hat. Die JN bekennen sich zur rechtsextremen Ideologie und zum Grundsatzprogramm der NPD, vertreten diese Standpunkte aber wesentlich aggressiver, was sich sowohl während Demonstrationen als auch im politischen Stil zeigt. Ihre regelmäßig erscheinende Publikation heißt „Der Aktivist“. In diesem Zentralorgan bezeichnen sie sich unter der Überschrift „Der Bundesführer hat das Wort“ als „Vertreter des nationalrevolutionären Flügels innerhalb der NPD“. Die Jugendorganisation kritisiert diejenigen in der NPD, die den „Kampf um die Parlamente“ zum „wichtigsten Kampfziel“ gemacht hätten. Stattdessen sei „Widerstand und Kritik angebracht, da in diesen Entwicklungen die Gefahr der schrittweisen Anpassung und Verbürgerlichung“ bestehe.
Wie intensiv die Neonazis Jugendarbeit in Schleswig-Holstein weiter betreiben können, wird einerseits von der Landesregierung abhängen und zum anderen vom den Angeboten und dem Engagement von Gruppen, denen es wirklich um das Wohl der jungen Menschen geht.