Was tun gegen „Rechtsextreme Alltagsmacht“?
8. Mai 2011
Auf Einladung des Ratzeburger Bündnisses referierte am vergangenen Donnerstag der Journalist Michael Kraske im Ratssaal des Rathauses vor etwa 30 Zuhörern zum Thema „Demokratiefreie Zonen?! – Was tun gegen rechtsextreme Alltagsmacht“. Michael Kraske arbeitet als Print-Journalist für Zeitungen und Magazine (u.a. für stern, Geo, Reader´s Digest, Der Tagesspiegel) und wurde mehrfach ausgezeichnet für seine Berichterstattung über die neuen Bundesländer, zuletzt mit dem Sächsischen Journalistenpreis. Er beschäftigt sich seit längerem intensiv mit dem Wirken von Rechtsextremismus im Alltag von Menschen und hat dazu 2008 die viel beachtete Publikation „…und morgen das ganze Land“ herausgebracht.
Kraske gab den Anwesenden in einer Mischung aus Vortrag und Lesung einen Überblick über seine umfangreichen journalistischen Recherchen zum Thema Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern. Er betonte dabei, dass die geschilderten Beispiele wie der „Fall Mügeln“ oder „Das Beispiel der Kleinstadt Limbach-Oberfrohna“ nicht ohne weiteres auf die Situation in Westdeutschland übertragbar sind, aber durchaus wichtige Lehren für die Arbeit eines lokalen Bündnisses wie in Ratzeburg daraus gezogen werden können. „Rechtsextremismus schafft es nur, Alltagsmacht zu erringen, wenn ihm die demokratische Mitte, die Zivilgesellschaft, nichts entgegenstellt. Ich verwende hier ungern die von Rechtsextremen verwendete Bezeichnung der „national befreiten Zonen“. Demokratiefreie Zone trifft es viel besser“, erläuterte Kraske. „Dieses sind Orte, in dem durch das Wirken von Rechtsextremen fundamentale, demokratische Grundrechte, wie die körperliche Unversehrtheit, die Meinungsfreiheit oder die Bewegungsfreiheit, für viele Menschen außer Kraft gesetzt sind. Das sind aber auch Orte, an denen die Demokratie von der Mitte der Gesellschaft preisgegeben wurde.“
Wie sich solche Prozesse entwickeln, die vielfach schleichend ablaufen und in der Gesellschaft zunächst wenig Beachtung finden, weil im Fokus des rechtsextremistischen Handelns vordringlich die gesellschaftlichen Randgruppen stehen, konnte Michael Kraske ein ums andere Mal eindrucksvoll aufzeigen. In Gemeinden, wo sich eine rechtsextreme Alltagsmacht erst einmal etabliert hat, kann diese zumeist nur mit großen Anstrengungen wieder zurück gedrängt werden. So brauchten die staatlichen Organe mehrere Jahre, um dem Treiben der sächsischen Kameradschaft „Sturm 34“, die sich unbehelligt als gewalttätige, rechtesextreme Bürgerwehr betätigen konnten und an den Wochenenden regelmäßig »Skinhead-Kontroll-Runden«, die sie SKR nannten, durchführten, ein Ende zu setzen.
Besonders beschämend empfindet es Michael Kraske, dass in solchen Orten gerade die Menschen, die sich den Rechtsextremen entgegenstellen wollen, von der gesellschaftlichen Mitte dort häufig als „Störer“ und „Querulanten“ verunglimpft und grundsätzlich dem links-extremistischen Spektrum zugeordnet werden. „Es wird vielfach verkannt, dass sich die Auseinandersetzung nicht zwischen Linksextremisten und Rechtsextremisten abspielt“, so Kraske. „Es ist zumeist eine Auseinandersetzung zwischen demokratisch gesinnten Menschen und Rechtsextremen. In meinen Recherchen treffe ich tatsächlich vordringlich auf junge Menschen, die vielleicht nicht angepasst aussehen, aber in ihrer Einstellung, ihrem Elternhaus und ihren Lebenszielen der demokratischen Mitte entstammen.“
Kraske zeigte sich in der anschließenden Diskussion mit Blick auf die vielen älteren Menschen im Publikum beeindruckt von der bürgerlichen Bereitschaft in Ratzeburg, rechtsextre-mistische Umtriebe bereits im Keim zu ersticken. „Wie sich Ihr Bündnis hier in Ratzeburg in seiner bürgerlichen Breite und seinem von einem langen Atem geprägten Aktionswillen zeigt, genauso rate ich auf meinen Lesungen anderen Kommunen beim Auftreten von Rechtsextremismus zu agieren. Aus meiner Sicht machen Sie hier wirklich alles richtig.“
Bürgermeister Rainer Voß dankte Michael Kraske sehr herzlich für die Erfahrungsberichte und die eindrucksvollen Textbeiträge. „In Ratzeburg setzen wir weiter auf Information, Aufklärung und gemeinsame Aktionen zusammen mit allen Partnern, den Schulen und unseren Netzwerken in Ratzeburg, im Lauenburgischen und in der Region. Dieser Abend mit Michael Kraske war ein sehr wertvoller Beitrag.“
Weblinks: „Der Fall Mügeln“ – http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2259524
„Das Beispiel der Kleinstadt Limbach-Oberfrohna“ – http://schwarzerpeter.blogsport.de/2011/01/11/spiel-doch-lieber-gameboy/
„Sturm 34“ – http://www.zeit.de/2009/50/S-Sturm-34