Nach fast 18 Jahren: „Club 88“ endlich geschlossen!
23. April 2014
Von den damals in Neumünster massiv und gewalttätig auftretenden Nazi-Skins wurde der „Club 88“ im Oktober 1996 im geschichtsträchtigen Stadtteil Gadeland gegründet und diente seitdem (nicht nur) den norddeutschen Neonazis als Szenetreffpunkt mit Symbolkraft und Kultcharakter. Rechtsrockveranstaltungen mussten damals angesichts hunderter Teilnehmer sogar in angemietete Hallen oder in die Trainingsräume des Athletik Klub Ultra verlegt werden. Während der letzten Jahre fanden allerdings neben den „Geburtstagsfeiern“ im Oktober und am 20.04. (Die Zahl 88 bedeutet im Nazi-Code nichts anderes als Heil Hitler!) nur noch vereinzelte Wochenendaktivitäten statt.
Aber noch vor drei Jahren wandten sich verzweifelte Eltern an das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus, weil ihre Söhne nach Besuchen im Gadeländer Club „als Neonazis nach Hause kamen“ und für ihre Eltern „nicht mehr ansprechbar“ waren. Im Netz kursierten Fotos, auf denen – teilweise minderjährige – Jugendliche im Nazidress vor dem Club posierten. Trotz alledem sah sich die Stadtverwaltung nicht in der Lage, der Clubbetreiberin die Konzession für ihr schmutziges Gewerbe zu entziehen. Zu tief saß offensichtlich die Erfahrung einer entsprechenden juristischen Niederlage im Jahr 2000.
Nie erlahmten jedoch die antifaschistischen Kräfte, die sich 1999 im Bündnis gegen Rechts (BgR) zusammenschlossen und seitdem Jahr für Jahr mit Demonstrationen, Mahnwachen, Unterschriftensammlungen, phantasievollen „Farbanschlägen“, Konzertveranstaltungen, einem ganzen „Aktionssommer“ und schließlich mit einer Fahrraddemo im September 2012 gegen die Existenz des Nazitreffpunktes in ihrer Stadt vorgingen. Auch im Rahmen der vielfältigen Aktionen des Runden Tisches für Toleranz und Demokratie der Stadt Neumünster, z.B. gegen den von der NPD geplanten und am breiten Widerstand der demokratischen Kräfte gescheiterten Naziaufmarsch am 1. Mai 2012, erhoben die engagierten Mitglieder aus den Kirchen, den Gewerkschaften, Parteien, Vereinen und Organisationen immer wieder die Forderung nach Schließung des „Club 88“.
Doch im Februar 2014 war es endlich soweit. Der Schriftzug über dem Eingang war schwarz übermalt, der Mietvertrag gekündigt, die „Schlüssel am 01.02. bei der Vermieterin abgegeben“. Vom Bündnis hierauf hingewiesen, fragte die Stadtverwaltung bei der Club-Betreiberin nach ihrer Gaststättenkonzession, und als die Antwort ausblieb, hat die Stadt „das Gewerbe von Amts wegen abgemeldet“. Mit diesem Verwaltungsvorgang ist die Existenz des Neumünsteraner Nazitreffpunktes beendet. Der „Club 88“ war einmal.
Ein Grund zum Feiern? Eindeutig ja, denn:
Auch wenn die Schließung des Clubs v.a. auf die zunehmende Schwächung der Naziszene zurückzuführen ist, so ist doch diese Schwächung gerade ein Erfolg der über Jahre kontinuierlichen Aufklärungs- und Präventionsarbeit der demokratischen Kräfte von Bündnis und Rundem Tisch! Aber auch die Hartnäckigkeit, mit der das Bündnis die Nazistrukturen dieser Stadt offen legt, ihre Auflösung durch die Verantwortlichen einfordert und auch selbst betreibt, ist ursächlich dafür, dass es am 4. Februar 2014 endlich, nach fast 18 Jahren, zur Schließung des „Club 88“ gekommen ist.
Deshalb wird das Bündnis gegen Rechts in den nächsten Wochen eine Veranstaltung vorbereiten, zu der all diejenigen eingeladen sind, die in diesen 18 Jahren aktiv waren gegen Rechts, gegen Rassismus und Nationalismus, und die nicht locker gelassen haben gegen den „Club 88“, die „Titanic“ und die anderen „braunen Fallen“ in Neumünster.
An diesem Abend soll analysiert, diskutiert und gefeiert werden. Die Musik aus dem Spektrum von „Rock gegen Rechts“ wird dann laut sein, wahrscheinlich auch noch nach 22:00 Uhr! Aus Solidarität mit der AJZ möchte das Bündnis diese Veranstaltung genau dort durchführen, wo die Gegenwehr gegen rechte Glatzen, Rassisten und Nazis immer „zuhause“ war, in der „Aktion Jugend Zentrum“, dem „alternativen Jugendhaus“ Neumünsters, das selbst häufig Zielscheibe von Naziübergriffen gewesen war.
Andreas Breitner, Innenminister von Schleswig-Holstein, hat es am Tag der Schließung des „Club 88“ sehr richtig ausgedrückt: „Die rechte Szene wird weiter ihre Treffpunkte haben.“ Die Schließung sei „kein Grund zur Entwarnung“! Mit der Vorlage der Dokumentation „Braune Falle(n) in Neumünster“ zur Eröffnung der Ausstellung „Braune Falle“ im Neumünsteraner Rathaus hatte das BgR am 17.02.2014 seine Recherchen zur „Titanic“ offen gelegt. Analog zur Kräfteverschiebung innerhalb der Naziszene von „Boneheads“ und „freien Kräften“ zur Kaderpartei NPD und zu kriminellen Rockerbanden hat sich nämlich auch die Bedeutung des „Club 88“ als Treffpunkt der Nazis zur Innenstadtkneipe „Titanic“ hin verschoben. Die „Titanic“ wird von NPD-Kadern betrieben und von NPD-Mitgliedern und -Wählern ebenso aufgesucht wie von Mitgliedern (z.T. verbotener) Rockerbanden. Hier steht der Stammtisch der schleswig-holsteinischen NPD! Der „Untergang der Titanic“ ist bereits angekündigt (für den 14.05.2014). Das Bündnis arbeitet daran, dass er nicht nur auf der Bühne des Landestheaters stattfindet.
Pressemitteilung des Bündnis gegen Rechts Neumünster