Keine Ruhe für Nazis & Rassisten! „Deutsche Stimme zumachen!“ Eindrücke vom Aktionstag in Riesa am 21. Juni 2014
25. Juni 2014
Seit dem Jahr 2000 befindet sich der NPD-Verlag „Deutsche Stimme“ im sächsischen Riesa, einer kleinen Industriestadt zwischen Dresden und Leipzig. Antifaschistische Proteste hatten den Verlag aus seinem bisherigen Standort in Bayern vertrieben. Hier in Riesa hoffte der Nazi-Verlag Ruhe zu finden; eine Hoffnung, die zunächst auch aufging. In einem feinen Stadtviertel hat sich der Verlag, zusammen mit dem Abgeordneten-Büro von NPD-Gansel und einem sogenannten Bürgerbüro breitgemacht, mit einer Adresse, die nicht so recht passen will: Die Straße trägt den Namen der Widerständler gegen das Nazi-Regime „Geschwister-Scholl“!
Bereits im Jahr 2013 bildete sich das Riesaer Aktionsbündnis „Deutsche Stimme abschalten“, in dem der DGB, die IG Metall, ver.di, die VVN-BdA, sowie die SPD, Die Linke und „Bündnis 90/Die Grünen“ mitarbeiteten. Die große Flut im Sommer 2013 verhinderte zunächst eine weitere Planung; jetzt, am Sonnabend, d. 21. Juni 2014, sollte es endlich losgehen!
Gegen 9 Uhr am Vormittag wurden wir, d.h. Conni, Thomas und ich schon im Gewerkschaftshaus mit einem warmen Kaffee erwartet; gemeinsam mit den Gewerkschaftern bereiten wir den Infotisch und die Ausstellungszäune im Riesaer Zentrum vor. Gegen 10 Uhr ging es dann los. Etwa 20 Antifaschisten trugen die Tafeln unserer neuen Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ sowie das große Wimmelbild mit der künstlerischen Darstellung der Struktur des Neofaschismus durch die Riesaer Fußgängerzone.
Viel war noch nicht los; aber an den Fenstern der Häuser standen die Anwohner und betrachteten sich das Bild, während die Vorsitzende der VVN-BdA, Conni Kerth die Forderungen des Aktionsbündnisses per Megaphon vorstellte und erläuterte. Endlich am Infotisch angekommen bauten wir schnell die Ausstellung auf und versorgten die Riesaer Bürger mit Info-Materialien.
Mittlerweile war auch das Regionalfernsehen, der „Sachsenspiegel“, zu uns gestoßen, der die Aktionen bis zu ihrem Ende mit einem fairen Bericht begleitete. Die Riesaer Bürger zeigten sich freundlich, z.T. interessiert, aber insgesamt eher etwas zurückhaltend. Gegen Mittag begaben wir uns zur Auftaktkundgebung am „Riesapark“, der aber kein Park, sondern ein ziemlich hässliches Einkaufszentrum am Stadtrand ist.
Dort versammelten sich bis 13 Uhr etwa 150 Demonstranten, viele Jüngere,
vorwiegend aus der Antifa,
und eine ganze Reihe älterer Teilnehmer/innen, zumeist unserer VVN-BdA. Hier hätten es gerne mehr sein dürfen; aber ein zeitgleich stattfindender Naziaufmarsch in Merseburg mit antifaschistischen Protesten verhinderte wohl eine größere Teilnehmerzahl.
Dann ging es endlich los: 150 Demonstranten und eine um ein Vielfaches größere Anzahl an Polizisten mit dem üblichen martialischen Outfit; in den Stiefelschäften steckten gut erkennbar die weißen Kabelbinder zur Sicherung der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dabei auch die Rostocker Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“, deren Auftritt in Riesa bisher durch die zuständigen Stellen unmöglich gemacht worden war.
Jetzt aber hatte sich das Bild am Straßenrand völlig verändert: Den eher fröhlichen Demonstranten zeigten sich nun immer öfter Neofaschisten, aber auch missgelaunte Riesaer Bürger, die ihrem Missfallen durch Pöbeleien und entsprechende Gesten Ausdruck verliehen.
Endlich am Kundgebungsplatz angekommen, war das NPD-Verlagsgebäude durch Sperrgitter und viele Polizisten hermetisch abgeriegelt. Auf der Abschlusskundgebung sprachen VertreterInnen der Parteien und Organisationen, die im Riesaer Appell vertreten waren, darunter auch Landtagsabgeordnete von SPD und Linke, Gewerkschafter und Vertreter von Flüchtlingsorganisationen sowie der VVN-BdA. Es herrschte eine fröhliche, auch kämpferische Stimmung, völlig aggressionsfrei. Das aber änderte sich, als Anwohner am Steuer ihrer Autos Jagd auf Demonstranten machten und sogar versuchten, die RednerInnen bei ihren Beiträgen zu behindern – und das Ganze vor den Augen der zahlreich vertretenen Polizei. Erst als der energische Auftritt der Demonstrationsleitung ultimativ den sofortigen Stopp der Provokationen verlangte, sah sich die Polizei bemüßigt, dem gefährlichen Treiben der Anwohner ein Ende zu setzen. So blieb es bei einzelnen kleinen Rangeleien. Bewundernswert die Ruhe, die gute Laune, auch der Langmut der Demonstranten. Einer der Höhepunkte war dann der erstmalige Auftritt der Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“ in Riesa, die mit ihrer Musik nicht nur die jüngeren unter den Demonstranten zum Tanzen brachte. Müde aber zufrieden machten sich Jung und Alt am Nachmittag auf den Heimweg. Gegen 18 Uhr gab es dann im Riesaer Jugendzentrum noch einen musikalischen Nachschlag, auch hier mit der Rostocker Punk-Gruppe.
Was bleibt: Ein gelungener Aktionstag in Riesa; gerne hätten es mehr TeilnehmerInnen sein dürfen; aber ein erster Schritt ist getan! Wir werden den Neofaschisten und ihren Presseorganen auch in Riesa keine Ruhe mehr lassen!
Hartmut Büchsel
Fotos: Sylvio Hoffmann, r-mediabase.eu