Abschiebung – Protest in Heideruh
26. Juni 2014
Ein persönlicher Bericht zur geplanten Abschiebung am 25.06.2014 von Ashraf Y. aus Heideruh nach Ungarn.
Gegen 23 Uhr Ankunft in Heideruh. Die Stimmung vor dem Hauptgebäude der antifaschistischen Begegnungsstätte ist gedrückt. Die Unterstützergruppe der Flüchtenden verabschiedet sich vorsichtshalber schon eine Stunde vor dem Tag der geplanten Abschiebung von Ashraf.
Vor 10 Tagen wurde Ashraf mitgeteilt, er habe sich am 25.6. vor seiner Unterkunft für die Abholung bereit zu halten. Keine Uhrzeit, aber vermutlich – wie in Buchholz üblich – mitten in der Nacht. Flug nach Ungarn ins Gefängnis oder ins Lager. Zahlreiche Gerichte urteilen mittlerweile zugunsten von Flüchtlingen und verhindern eine Abschiebung nach Ungarn aus humanitären Gründen.
Bei dieser Abschiebung ist aber etwas anders. Erfolgen diese „Abholungen“ sonst immer still und ohne dass es jemand bemerkt, sind diese Nacht zahlreiche Menschen nach Heideruh gekommen, um friedlich gegen die menschenunwürdige Abschiebepraxis zu protestieren.
Über 120 Menschen von jung bis alt sind dem Aufruf gefolgt und verbringen die Nacht in und vor der Begegnungsstätte. Ein Plenum beschließt, die Zufahrt und den Zugang zum Wohngebäude friedlich mit einer Sitzblockade zu besetzen.
Um 00:30 Uhr gibt es eine Sitzprobe. Noch einmal der eindringliche Hinweis an alle, sich nicht provozieren zu lassen. Einige Demonstranten stimmen einen Kanon an. Die Stimmung wendet sich ins Positive. Kaum einer glaubt daran, dass sich die Polizei gewaltsam Zugang zur Unterkunft verschaffen wird.
In den sich munter mischenden Gruppen wird diskutiert. Wie kann es sein, dass Menschen aus der Bundesrepublik in Länder abgeschoben werden, wo die Flüchtenden wie Kriminelle behandelt werden und ihnen weder sanitäre Anlagen zur Verfügung stehen, noch die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um dort zu überleben? Menschen wie Ashraf, die sich in ihrer Heimat, dem Sudan, für Menschenrechte eingesetzt haben und dort dafür mit dem Tod bedroht werden, sollen in dieses Schicksal verfrachtet werden.
Gegen drei Uhr wird es langsam zur Gewissheit. Es wird niemand mehr erscheinen um Ashraf abzuholen. Gegen vier Uhr verabschieden sich die ersten UnterstützerInnen immer noch verwundert, was den Sinneswandel bei der Behörde ausgelöst hat. Um fünf Uhr beenden dann auch die letzten erschöpft, den erfolgreichen Protest.
Die Unterstützergruppe ist morgens um acht schon wieder im Einsatz. Es wird dringend ein Kirchenasyl gesucht. Um einen Asylantrag stellen zu können, muss ein Flüchtender sich 6 Monate in Deutschland aufgehalten haben ohne dass sie oder er an das Ersteinreiseland zurück gebracht werden konnte. Bei Ashraf ist es im August/September so weit. Ohne ein Kirchenasyl droht Haft und Abschiebung innerhalb kurzer Zeit. Die letzte Möglichkeit für Ashraf.
Um 9:30 Uhr ruft ein Radiosender an, um nachzufragen, warum Ashraf untergetaucht sei und dass er jetzt zur Fahndung ausgeschrieben ist. Nach der allgemeinen Verwunderung herrscht Empörung vor. Niemand war in Heideruh, um Ashraf abzuholen. Er hatte keine Gelegenheit, den Ort zu verlassen. Auch am Eingang zur Unterkunft war die Treppe blockiert.
Der haltlose Vorwurf Ashraf sei untergetaucht hat fatale Folgen.
Mit diesem Akt erhöht sich der Zeitraum bis zu einem möglichen Asylantrag in der Bundesrepublik auf 18 Monate. Jetzt muss ein Rechtsbeistand aktiv werden, um diesen willkürlichen Vorwurf aus der Welt zu schaffen.
In den nächsten Wochen wird die Solidarität der Menschen weiterhin gefragt sein. Es ist zu befürchten, dass die nächsten Abschiebungsversuche folgen. Auch für weitere Flüchtende, die in Heideruh untergebracht sind.
Sicher ist auf jeden Fall: Eine Abschiebung bei Nacht und Nebel werden die Menschen aus Heideruh und der Umgebung nicht zulassen. Widerstand ist nötig und möglich.
Text/Fotos: U. Stephan
Nachtrag 26.6.2014: Jetzt befindet sich Ashraf im Kirchenasyl. Zur Finanzierung werden dringend Spenden benötigt. Spenden bitte auf das Konto: Postbank (BIC PBNKDEFF200) IBAN DE54 2001 0020 0254 0242 04 Stichwort: Kirchenasyl