Marianne Wilke erhält das Bundesverdienstkreuz

geschrieben von Hartmut Büchsel

13. März 2015

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Ehrung einer großen Lebensleistung

Überraschende Post erhielt die Ehrenvorsitzende und langjährige Landesvorsitzende der VVN-BdA Schleswig-Holstein Marianne Wilke von der Landesregierung aus Kiel.
Sie erhält das „Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“, wie es offiziell und etwas umständlich heißt.

Am 30.März um 16 Uhr bekommt sie die Auszeichnung aus der Hand des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig. In der Begründung zur Verleihung der Auszeichnung heißt es u.a. „Marianne Wilke hat sich über Jahrzehnte herausragende Verdienste in der Erinnerungsarbeit erworben und zeigt ein nachhaltiges Wirken im Kampf gegen Rechtsextremismus.(…)Sie tritt stets dafür ein, dass das historische Geschehen vor allem im Gedächtnis künftiger Generationen wach gehalten wird.“

Etwas despektierlich könnte man sagen: „Endlich! Das wurde aber auch Zeit,dass endlich auch Menschen wie unsere Marianne die ihnen zukommende staatliche Anerkennung erfahren!“
Jetzt aber heißt es erst einmal: „Herzlichen Glückwunsch, liebe Marianne zu dieser Auszeichnung. Wir freuen uns mit dir über diese Anerkennung deiner Lebensleistung!“

Zeitzeugin Marianne Wilke

Zeitzeugin Marianne Wilke

Und zu diesem Lebensleistung gehört einiges! Marianne wurde am 29. Juli 1929 in Hamburg geboren. Ihr Vater stammte anders als ihre Mutter aus einer jüdischen Familie. Marianne galt also als „Halbjüdin“, wie es im widerwärtigen Nazijargon heißt. Ab 1943 musste Marianne die Schule verlassen. Sie arbeitete bis Anfang 1945 als Hausmädchen. Dann erhielt sie den Befehl, sich im KZ Neuengamme zu melden, doch in den Wirren des Kriegsendes konnte Marianne bei Freuden untertauchen. Einem Teil ihrer Familie gelang nach der Reichspogromnacht die Auswanderung nach England. Ihre Großeltern Henriette und Philipp Lehmann dagegen wurden wie auch andere Angehörige der großen Familie nach Riga verschleppt und dort vermutlich von der SS erschossen. Mariannes Vater überstand die KZ-Haft im KZ Theresienstadt und kehrte nach der Befreiung durch die Rote Armee nach Hamburg zurück. Marianne machte nach dem Krieg eine Ausbildung als Kindergärtnerin. Seit 1952 ist sie mit dem Redakteur Günther Wilke verheiratet und lebt in Wedel bei Hamburg. Die beiden haben drei Söhne und mehrere Enkel und Urenkel.

Für Marianne war und ist es selbstverständlich, sich politisch zu engagieren. Sie ist ebenso wie ihr Günther Kommunistin und Antifaschistin. Der Schwerpunkt ihres Engagements galt und gilt aber immer der VVN und später der VVN-BdA. Von 1995 bis 2007 war sie Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein. 2013 schließlich wählte die Landesdelegiertenkonferenz unserer VVN-BdA Marianne zu unserer Ehrenvorsitzenden.

Darüber hinaus engagiert sich Marianne in zahlreichen Vereinen und Verbänden. Sie ist Mitbegründerin der Friedenswerkstatt Wedel und arbeitet im Arbeitskreis der Stadt Wedel gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit mit. Sie gehört dem Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Ladelund an und rief zusammen mit Günther und anderen Mitstreitern aus der Friedensbewegung die Initiative „Blumen für Gudendorf“ ins Leben, die alljährlich in der zeitlichen Nähe des 8.Mai der im Kriegsgefangenen-Lager Gudendorf gequälten sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter gedenkt. Natürlich ist sie auch alljährlich beim Wedeler Ostermarsch dabei. Als einen ganz wesentlichen Aspekt ihrer Tätigkeit sieht Marianne ihre Aufgabe als Zeitzeugin. Immer wieder spricht sie vor Jugendlichen in Schulen, Jugendzentren und Hochschulen über ihre Erfahrungen in der Nazizeit. Auch beim Fan-Projekt des FC St. Pauli war sie zu Gast. Auf dem Hamburger Kirchentag ebenso wie auf der Mitgliederversammlung der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste in Berlin wirkte sie u.a. mit Steffi Wittenberg an einem Theaterprojekt mit. Auch vor 250 in der Ausbildung stehenden PolizistInnen aus Hamburg sprach sie über ihre Jugendzeit, aber auch über die wichtigen Schlussfolgerungen für die Gegenwart. Nie tritt Marianne gegenüber ihren ZuhörerInnen belehrend auf. Gerne sucht sie das Gespräch und nimmt Fragen oder auch kritische Anmerkungen ernst. Ganz typisch für Marianne ist ein Zitat der Musikgruppe „Die Ärzte“, mit dem sie ihre Ausführungen gerichtet an das meist jugendliche Publikum beendet: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt so ist, wie sie ist, es wär` nur deine Schuld, wenn sie so bleibt!“