Der Vergangenheit verpflichtet, der Zukunft zugewandt

geschrieben von Hartmut Büchsel

2. April 2013

Ein persönlicher Bericht zum Ostermarsch 2013 in Kiel

Es ist Sonnabend, der 30. März 2013, 11 Uhr: ein kalter, winterlicher Ostersonnabend; Menschen eilen durch die eher triste, graue Kieler Fußgängerzone, um ihre Ostereinkäufe zu erledigen. Doch am Asmus-Bremer-Platz ändert sich das Bild: Musik, viele bunte Transparente, Fahnen mit der klassischen Friedenstaube auf blauem Untergrund, auch Fahnen von Parteien, die der Friedensbewegung verbunden sind. Im Nordostwind flattert eine Fahne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten; ich erkenne einen Neumünsteraner Antifaschisten, der wie immer seine Fahne mitgebracht hat. Es ist eine fröhliche Atmosphäre; gute Stimmung unter den schließlich etwa 200 TeilnehmerInnen am Kieler Ostermarsch 2013, die sich heute hier versammelt haben. Man kennt sich; es gibt viele Umarmungen von Menschen, die sich länger nicht gesehen haben und sich über das Wiedersehen freuen. Daneben aber auch neue Gesichter, junge vor allem, die sich erkennbar zum ersten Mal an den traditionellen Ostermärschen der Friedensbewegung beteiligen wollen.

Foto: Pewe R-Mediabase

Foto: Pewe R-Mediabase

Endlich steigt Benno Stahn vom Kieler Friedensforum auf die Plattform des LKW und tritt ans Mikrofon. Er begrüßt die Ostermarschierer auch im Namen des ZAA(Zusammenarbeitsausschuss der Friedensbewegung Schleswig-Holstein) und erläutert das weitere Programm. Dann eine Überraschung für mich: Frank Hornschu, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes der Region KERN (Kiel, Eckernförde, Rendsburg, Neumünster und Plön) meldet sich zu Wort. Mit deutlichen Worten wendet er sich namens des DGB gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Krieg. Das tut gut, denn immer wieder bricht sich Wut und Empörung Bahn über das Schweigen des Bundesvorstandes des DGB gegenüber den Worten des Fachministers für Aufrüstung und Kriegseinsätze, de Maziere, der auf einer gemeinsamen Veranstaltung unwidersprochen die Bundeswehr als „Teil der Friedensbewegung“ bezeichnen konnte.

Als Hauptredner des Kieler Ostermarsches 2013 wird nun Professor Dr. Jörg Wollenberg von der Uni Bremen angekündigt. Wollenberg ist in Ahrensbök aufgewachsen und hat sich um die dortige Gedenkstätte verdient gemacht. Er ist ein Urgestein der Friedensbewegung; schon seit 1958 dabei. „Der Vergangenheit verpflichtet, der Zukunft zugewandt“, so kennzeichnet Wollenberg die Leitlinie seiner Rede. Was zunächst wie eine Phrase klingt, erweist sich aber bald als zutreffend. Wollenbergs Prämisse ist die Aussage „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ Er erläutert die historische Entstehung dieser Forderung und ihre Berechtigung, ihre Pervertierung durch die Politik der verschiedenen Bundesregierungen, ganz gleich ob von Schwarz-Gelb, Großer Koalition oder Rot-Grün getragen. Am Ende seiner mehrfach von Beifall unterbrochenen Reise durch die deutsche Geschichte bleibt die Erkenntnis: Die Forderung „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ ist nach wie vor aktuell und es ist unsere Aufgabe, für ihre Verwirklichung einzutreten.

Zwischen den Rede-Beiträgen sorgen Uwe & Veronika mit ihren Liedern gegen Krieg, Militarismus und Sozialabbau für die notwendige gute Stimmung. Außerdem werden Unterschriften gesammelt: Zum einen gegen Kauf und Einsatz von Kampfdrohnen durch die Bundeswehr; zum anderen unter einen Appell an die Stadtpräsidentin, Oberbürgermeisterin und Ratsversammlung der Stadt Kiel, sich dafür einzusetzen, Kiel zu einer Stadt des Friedens zu machen und die Rüstungsproduktion in Kiel zu stoppen.

Endlich geht es los, in diesem Jahr mal auf einer neuen Demonstrationsroute. Die etwa 200 TeilnehmerInnen am Kieler Ostermarsch ziehen – begleitet von einem Lautsprecherwagen – mit ihren bunten Fahnen und Transparenten zunächst einmal durch die Fußgängerzone in Richtung Hauptbahnhof. „Krieg ist keine Lösung!“, „Schluss mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr!“, „Bundeswehr – raus aus Afghanistan!“, „Waffenexporte stoppen!“, „Keine Kampfdrohen für die Bundeswehr!“ und viele andere aktuelle Forderungen der Friedensbewegung sind zu lesen. Am Hauptbahnhof gibt es eine kurze Zwischenkundgebung. Eine Vertreterin von Attac spricht. An dieser Stelle ist für mich persönlich der Ostermarsch 2013 beendet, denn mein durch einen Unfall geschädigtes Knie macht sich unmissverständlich bemerkbar. Der Ostermarsch aber zieht weiter. Sein Weg führt durch die Stadt zurück zum Asmus-Bremer-Platz. Auf der Abschlusskundgebung ergreift Bernd Meimberg für den ZAA der Friedensbewegung Schleswig-Holstein das Wort. Bernd konkretisiert noch einmal die Forderungen der Friedensbewegung für unser Bundesland, spricht über die in Schleswig-Holstein stattfindende schleichende Militarisierung und fordert den Stopp der Waffenproduktion und -Exporte.

Am Schluss sind sich viele der TeilnehmerInnen einig: Der Kieler Ostermarsch 2013 war ein Erfolg. Jetzt geht es darum, für die politische Durchsetzung der Forderungen gemeinsam einzutreten.

Am Abend sitze ich vor dem Fernseher: Es geht um eine der wichtigen Nebensachen in unserem Leben, die Fußball-Bundesliga. Zwischendurch schalte ich einmal um zum Schleswig-Holstein-Magazin und habe Anlass zur Freude: Der NDR sendet einen kurzen Bericht vom anderen Ostermarsch in Schleswig-Holstein, nämlich aus Wedel. Dort das gleiche Bild: Etwa 150-200 fröhliche Menschen, viele bunte Transparente mit den auch aus Kiel bekannten Forderungen der Friedensbewegung. Für die örtliche Friedensinitiative erhält Irmgard Jasker die Gelegenheit, kurz die Anliegen der Friedensbewegung vorzutragen. Und das ist noch nicht alles.

Ein anschließender Bericht aus Lübeck geht auf mehrere Themen ein: Das Gedenken der Lübecker an die Opfer der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg, das Gedenken an die Opfer des Naziregimes in Lübeck, aber auch auf die Freude der Lübecker Bürgerinnen und Bürger darüber, dass es ihnen gelungen ist, die neofaschistischen Provokationen der letzten Jahre in ihrer Stadt zu stoppen. Sie machen deutlich, wer verantwortlich war für Krieg, Mord und Terror, die deutschen Faschisten.