War der 8. Mai 1945 „trotz allem eine große Stunde, die Rückkehr Deutschlands zur Menschlichkeit“, wie Thomas Mann nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Britischen Hörfunk verkündete?
Gewiss, für die Gegner des NS-Systems und die KZ-Häftlinge war er ein Tag der Befreiung vom Faschismus.
Aber aus der Sicht vieler Deutscher war er der Tag der Niederlage. Und zahlreiche Deutsche setzten noch im Mai 1945 auf einen Sonderfrieden mit dem Westen, um weiter gegen die sowjetische Armee im Osten zu kämpfen. Denn die NS-Reichsregierung hatte sich von Berlin in die „Nordfestung“ von Holstein bis Dänemark zurückgezogen.
Unter ihnen befand sich SS-Reichsführer Heinrich Himmler, der an Hitler vorbei mit Vertretern der Westmächte und jüdischen Organisationen verhandelte. Die KZ-Häftlinge dienten dazu als „Verhandlungsmasse“.
Am Beispiel der „Weißen Busse“ über das Ende der Todesmärsche und die Folgen der Schachergeschäfte um Menschenleben in Lübeck wird Jörg Wollenberg informieren.
Ein bislang wenig beachtetes Ereignis aus der Endphase des Krieges, das auf einen Separatfrieden mit den Westmächten abzielte.
Jörg Wollenberg sah als Achtjähriger am 13. April 1945 rund 300 KZ-Häftlinge durch seine Heimatstadt Ahrensbök ziehen. Ahrensbök lag am Ende eines dreimonatigen Marsches der Häftlinge, der von Auschwitz-Fürstengrube über Mauthausen und Nordhausen (Mittelbau-Dora) bis nach Ostholstein ging und einen Tag vorher Lübeck erreicht hatte.
Lediglich 50 dieser KZ-Häftlinge erlebten das Ende des Krieges mit Hilfe der „Weißen Busse“ des Grafen Bernadotte. Diese Rettung fand Ende April 1945 nach Geheimgesprächen von Himmler mit dem Grafen Bernadotte und jüdischen Organisationen in Lübeck statt. Die anderen Häftlinge kamen auf die „Cap Arcona“ und die „Thielbek“, die am 3.Mai1945 von der RAF bombardiert wurden. Mit ihnen fanden über 7000 Menschen auf dem schwimmenden KZ den Tod. Grund genug, um nach den Hintergründen im Gefolge der Todesmärsche zu fragen
Zur Person: Geboren 1937, Schulzeit in Ahrensbök und Lübeck (OzD); Studium in Hamburg, Göttingen und Paris, anschließend Leiter von Volkshochschulen und von „Arbeit und Leben“ in Göttingen, Bielefeld und Nürnberg. Von 1978 bis 2002 Professor für Weiterbildung an der Universität Bremen. Zahlreiche Veröffentlichungen u.a. zur NS-Zeit und Gründungsmitglied der Gedenkstätte Ahrensbök.