16. April 2011
Am 8. Mai dieses Jahres begeht die Gedenkstätte Ahrensbök den 10. Jahrestag ihrer Gründung. Obwohl es anfangs Drohanrufe, Schmähbriefe und üble Nachrede hagelte, gab und gibt es bis heute landes- und bundesweit und international großen Zuspruch und Beifall aus Fach- und Bürgerkreisen, aus Politik und von kirchlichen Einrichtungen. Heute ist die Gedenkstätte nicht mehr wegzudenken.
Sie hatten lange diskutiert, ob es zu schaffen war. Als am Ende die Unerschrockenen die Bedenkenträger in den eigenen Reihen überzeugt hatten, beschlossen die Mitglieder der ostholsteinischen Bürgerinitiative Gruppe 33 Ende der Neunziger Jahre gemeinsam das Wagnis einzugehen. Sie gründeten einen Trägerverein, beantragten und erhielten Fördergelder, um ein verfallenes Haus, das jahrelang unbeheizt leer gestanden hatte, zu kaufen und eine KZ-Gedenkstätte einzurichten, denn: Die Direktorenvilla einer ehemaligen Zuckerfabrik am Rande der ostholsteinischen Gemeinde Ahrensbök ist das einzige in Schleswig-Holstein erhaltene Gebäude, in dem 1933 ein frühes Konzentrationslager eingerichtet war.
Am 8. Mai dieses Jahres begeht die Gedenkstätte Ahrensbök den 10. Jahrestag ihrer Gründung. Es gab nicht wenige in der Region, die dem Objekt keine Zukunft prophezeiten, ihm keine Zukunft wünschten; es hagelte anfangs Drohanrufe, Schmähbriefe, üble Nachrede. Vor allem aber gab und gibt es bis heute landes- und bundesweit und international großen Zuspruch und Beifall aus Fach- und Bürgerkreisen, aus Politik, von kirchlichen Einrichtungen. Als eine von drei KZ-Gedenkstätten im Lande – neben Ladelund und Kaltenkirchen – ist Ahrensbök als Bildungs- und Begegnungsstätte inzwischen gut vernetzt in der Gedenkstättenlandschaft von Schleswig-Holstein und fest verankert im Bewusstsein der Öffentlichkeit
Wie kaum anderswo lassen sich in Ahrensbök Anfang und Ende der NS-Diktatur beispielhaft thematisieren: 1933 wurde im Direktorenhaus der ehemaligen Zuckerfabrik ein frühes Konzentrationslager eingerichtet. 1945 trieb die SS einen Todesmarsch aus den Konzentrationslagern Mittelbau-Dora (Harz) und Auschwitz-Fürstengrube nach Ostholstein und durch die Gemeinde Ahrensbök. Diese beiden Ereignisse, ebenso wie die Themen Zwangsarbeit und NS-Bildungspolitik am Beispiel von Ahrensbök gehören zu den Schwerpunkten der inhaltlichen Arbeit der Gedenkstätte, die sich als regionale Einrichtung versteht, damit – insbesondere junge – interessierte Bürger und Bürgerinnen erfahren können, was in ihrer Heimatregion vor den Haustüren ihrer Eltern und Großeltern während er Terrorherrschaft der Nationalsozialisten geschah.
Damals wie heute ist die Begegnung mit Zeitzeugen fester Bestandteil der Gedenkarbeit in Ahrensbök. Bei der Gründungsfeier am 8. Mai 2001 waren zwei Überlebende des Todesmarsches, Sam Pivnik aus England und Albert van Hoey aus Belgien, nach Ahrensbök gekommen, um die Initiatoren in ihrer Absicht, zu bestärken, die Opfer des Nationalsozialismus vor dem Vergessen zu bewahren.
Zehn Jahre später, zum Jubiläum am 8. Mai dieses Jahres, wird Bogdan Siewierski als Zeitzeuge aus Wroclaw/Polen anreisen, um an das Leid der Menschen zu erinnern, die während der Kriegsjahre millionenfach aus ihren Heimatländern verschleppt und gezwungen wurden, in der deutschen Landwirt-schaft, in Industrie, in Haushalten oder im Handwerk zu schuften. Siewierskis Eltern leisteten Zwangsarbeit auf einem Hof im Dorf Siblin, heirateten am 9. September 1941 standesamtlich in Ahrensbök und kirchlich in der katholischen Kirche in Eutin; Sohn Bogdan wurde am 12. Juni 1941 in Ahrensbök geboren.
Es ist vorrangiges Ziel des Trägervereins, insbesondere jungen Menschen Geschichte, wie sie in ihrer Region geschah, nahe zu bringen. Deshalb wird Bogdan Siewierski – wie viele andere Zeitzeugen vor ihm – während seines einwöchigen Besuchs in Ostholstein die Arnesboken-Gemeinschaftsschule besuchen. Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit erhalten, mit dem Zeitzeugen aus Polen ins Gespräch zu kommen. Sie sind gut vorbereitet, denn während der letzten Wochen haben sie das Thema Zwangsarbeit im Unterricht behandelt, angeleitet von dem Lübecker Historiker Christian Rathmer.
Als außerschulischer Lernort hat sich die Gedenkstätte fest etabliert. Der Trägerverein regt an und begleitet Schulen bei Projektarbeiten. Zu Gedenktagen – wie 27. Januar, Pogromnacht – werden Schulklassen, Konfirmandengruppen, Auszubildende zu Besuchen der Gedenkstätte und Führungen durch die Dauerausstellung „Von Auschwitz nach Holstein“ eingeladen. Die Eutiner Polizeischule nutzt ebenso das Angebot des außerschulischen Lernens wie das Bugenhagen Berufsbildungswerk in Timmendorf, eine Einrichtung zur beruflichen und gesellschaftlichen Integration von Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten. Dabei müht sich der Trägerverein stets einen Bezug zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen. Mit dieser Arbeit soll letztendlich ein Beitrag geleistet werden, dass Unrecht der Vergangenheit oder Ähnliches nicht wieder geschieht.
Höhepunkt sind die internationalen Jugendsommerlager in Kooperation mit der Aktion Sühnezeichen. Jeden Sommer kommen junge Menschen aus verschiedenen Ländern Europas und aus Übersee nach Ahrensbök, um mit inhaltlicher und tatkräftiger Arbeit einen Beitrag zu Aufbau und Erhalt der Gedenkstätte zu leisten. Im ersten Sommerlager 1999, zwei Jahre bevor die Gedenkstätte eröffnet wurde, formten 15 junge Menschen unter Anleitung des Berliner Künstlers Wolf Leo 14 Stelen aus Beton mit eingelassenen Tontafeln und Tonskulpturen und stellten sie an Straßenrändern auf. Sie erinnern seit mehr als zehn Jahren an das Leid von etwa 500 KZ-Häftlingen auf ihrem Todesmarsch durch die Dörfer zwischen Lübeck und Neustadt.
Jahre der Erforschung nationalsozialistischer Regionalgeschichte haben der Gedenkarbeit in Ahrensbök eine wissenschaftliche Basis vermittelt. Inhaltlicher Anstifter war der Alvesloher Forscher Gerhard Hoch, der mit seinem Vortrag über den Todesmarsch die Gründung der Bürgerinitiative inspirierte. Hoch und seine Forschungsarbeiten blieben dem Verein eng verbunden. Der Bremer Wissenschaftler Jörg Wollenberg, ein geborener Ahrensböker, hat mit seinem Alterswerk „Ahrensbök eine Kleinstadt im Nationalsozialismus“ weitere Grundlagen geschaffen. Zusammen mit dem früh verstorbenen kanadischen Historiker Lawrence D. Stokes erforschte er die Geschichte des frühen KZ. In zahlreichen Vorträgen haben Wollenberg und andere Referenten seit Bestehen der Gedenkstätte viele Aspekte der NS- Terrorherrschaft einer breiten Öffentlichkeit vorgetragen.
Die Gedenkstätte Ahrensbök ist nicht mehr wegzudenken. Ein Kreis von Aktiven des Trägervereins, die sich alle ehrenamtlich – ohne Aufwandsentschädigung, ohne Kostenerstattung – engagieren, haben unter schweren Bedingungen ein marodes nicht beheizbares Gebäude über Jahre in Eigenarbeit vor dem Verfall bewahrt und gleichzeitig intensive Gedenkarbeit geleistet. Ohne öffentliche Unterstützung wurde und wird der Betrieb des Hauses allein mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Erst nach sieben Jahren kam Hilfe aus Berlin: Mit Bundesmitteln, die zur Hälfte durch Eigenmittel ergänzt werden mussten, konnte das Erdgeschoss saniert werden. Derzeit finanziert das Land Schleswig-Holstein mit Mitteln aus dem Investitionsprogramm kulturelles Erbe die Renovierung des Dachgeschosses.
Die Gedenkstätte Ahrensbök ist jeden Sonntag (Mai bis September: 14.00 bis 18.00 Uhr, Oktober bis April: 14 bis 17 Uhr) geöffnet. Besuche sind jederzeit nach Terminabsprache möglich. Mitglieder des Trägervereins führen auf Wunsch durch das Gebäude und durch die Dauerausstellung „Von Auschwitz nach Holstein“. Eintritt und Teilnahme an Filmvorführungen oder Sonntagsgesprächen sind frei. Spenden sind willkommen. Die Gedenkstätte liegt an der Flachsröste 16 (B 432) im Ahrensböker Ortsteil Holstendorf, Tel: 04525 – 493 060, E-mail: gedenkstaetteahrensboek@t-online.de, HP: www.gedenkstaetteahrensboek.de
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