9. November 1938: Die „Reichskristallnacht“ in Schleswig-Holstein

16. November 2013

Ausstellung im Landesarchiv Schleswig-Holstein vom 8. November 2013 bis zum 23. Mai 2014

Zum 75. Gedenktag der Reichspogromnacht zeigt das Landesarchiv Schleswig-Holstein eine Ausstellung zum jüdischen Leben von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Gerhard Paul von der Universität Flensburg und der Landeszentrale für politische Bildung entstand ein detailreicher Überblick zu den Ereignissen in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 sowie der Vorgeschichte der Jüdinnen und Juden in Schleswig-Holstein und den auf die „Reichskristallnacht“ folgenden Jahren ihrer Stigmatisierung und Ermordung durch die Nationalsozialisten.

Im Vordergrund stehen die Einzelschicksale: So erfährt der Besucher von Dora Kufelnitzky, deren Hutgeschäft in der Kieler Muhliusstraße geschlossen wurde, oder von der Flensburger Familie Fertig, die im Oktober 1938 aus Deutschland ausgewiesen wurde. Zahlreiche Bilddokumente aus der Fotosammlung der Universität Flensburg und Akten aus dem Landesarchiv dokumentieren das Schicksal schleswig-holsteinischer Familien jüdischen Glaubens.

Darüber hinaus zeigen sie zerstörte Synagogen und verwüstete Geschäfte mit zerschlagenen Fensterscheiben, die der „Reichskristallnacht“ ihren Namen gaben. Die Kieler Synagoge am Schrevenpark war im Jahr 1939 für den Abriss bestimmt, das Rendsburger Gotteshaus wurde als Fischräucherei entweiht. Einigen jüdischen Familien gelang nach der Pogromnacht die Emigration ins Ausland, sie gingen nach Südamerika, Schanghai oder in die USA. Kinder wurden mit Kindertransporten nach Großbritannien gebracht und überlebten dort den Holocaust. Viele Jüdinnen und Juden wurden jedoch deportiert und interniert, etwa im Vernichtungslager Auschwitz, in Theresienstadt oder im Rigaer Ghetto.

Diesen drastischen Maßnahmen war bereits eine jahrelange Stigmatisierung vorausgegangen. Die Ausstellung zeigt Fotografien vom Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933 und antisemitische Beschilderungen wie den Hinweis „Juden sind hier nicht erwünscht“ im Hafen von Wyk auf Föhr. Archivalien mit Abwicklungen von Geschäftsinventar und Versteigerungsprotokolle ganzer Wohnungseinrichtungen dokumentieren die schrittweise Verdrängung der jüdischen Minderheit aus Schleswig-Holstein.

Wer den Holocaust überlebt hatte, ging nach Palästina oder verblieb in dem Land, in das die Emigration ihn geführt hatte. Nur Wenige kehrten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland zurück. Zu ihnen gehört beispielsweise Heinz Salomon, der aus Theresienstadt in seine Heimatstadt Kiel kam und sich dort als Leiter der jüdischen Wohlfahrtspflege um andere Holocaust-Überlebende kümmerte. Oder Dr. Rudolf Katz, der sich nach einer Emigration über New York nach Schanghai als Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes am Aufbau einer neuen Demokratie beteiligte.

Die Ausstellung im Landesarchiv Schleswig-Holstein präsentiert facettenreich das jüdische Leben in Schleswig-Holstein und stellt anhand persönlicher Schicksale die Schrecknisse der „Reichskristallnacht“ dar.