Kiel unten … eine Bank ist kein Zuhause

Termin:
Kiel unten ... eine Bank ist kein Zuhause
Datum:
21.06.2018
Uhrzeit:
17:00 Uhr
Ort:
Gewerkschaftshaus Kiel, Legienstr. 22

2-stündiger Stadtgang mit Christel Pieper zur Obdachlosigkeit und Armut in Kiel

Das der Stadtgang dieses Mal von einem HEMPELS-Team (Redakteur, Fotografin und einem Menschen aus dem HEMPELS-Umfeld) begleitet wird, freut mich sehr und ist schon etwas ganz Besonderes.

Darum möchte ich diesen Stadtgang nicht nur mit unseren üblichen Text ankündigen.

Die allerersten Stadttouren machte ich zusammen mit obdachlosen Menschen von HEMPELS, zu denen auch mein politischer Weggefährte Hans-Georg P. gehörte oder wie die Schleswig-Holstein-Zeitung unser Verhältnis beschrieb: „ … mit ihrem Kamerad aus der Szene“.

H.G., wie man ihn auf der Straße nannte, war seit 1993 überwiegend auf „Platte“, bis er sich vor 10 Jahren, gerade 51 Jahre alt, das Leben nahm.

Bis dahin waren wir zu einem eingespieltem Team geworden, H.G., der die Szene kannte, ich, die sich jedes Jahr neu durch Statistiken, Ereignissen und Daten wühlte, um über Gegebenheiten und Hintergründe zu berichten.

War es sinnvoll, alleine weiterzumachen? Nach langen Überlegungen entschloss ich mich, H.G.s Vermächtnis weiter zu geben, seine Geschichte zu erzählen, die das Leben auf der Straße so verständlich macht.

H.G. galt als „der Professor“ unter den Obdachlosen, weil man ihn meistens mit einem Buch vor der Nase antraf. Seine Bücher hatte er bei Freunden deponiert. Er war Mitbegründer der Obdachlosenzeitung HEMPELS, die in mehren Städten in Schleswig-Holstein von HEMPELS-VerkäuferInnen angeboten wird.

Sein Schlafzimmer konnte eine Nische sein, in der er vor Regen und Wind geschützt war oder es war ein Gebüsch im Park. Andere Obdachlose schliefen in der Nähe. Man schützt sich gegenseitig, denn immer mehr Jugendliche machen sich einen Spaß daraus, Obdachlose zu „klatschen“, wie sie es nennen.

Schlafsack, Isomatte und eine Tasche voll Habe war sein Gepäck, das er tagsüber im Gebüsch versteckte. Nicht nur einmal wurde ihm die Isomatte geklaut. Dann holte er sich aus einem Container Kartons von einem Hof in der Nähe. „Drei Lagen Pappe bieten Schutz gegen die Kälte vom Boden her“, erklärte er ohne Zynismus, wirkte nie bitter.

Ich muss schon zugeben, dass es mich immer irritiert hat, wenn Hans-Georg mit einem Blätterwald an der Kleidung zu unseren Sitzungen kam, die bei mir zu Hause stattfanden.

Eine TBC- Erkrankung, zwang ihn zu einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt und mich zum Lungenarzt und zum Röntgen, auch um eine Ansteckungsgefahr für andere auszuschließen.

Bei unserer letzten gemeinsamen Tour im Sommer 2008 sprachen wir über den Tod seines Freundes und den seiner vielen Weggefährten, die keine Gräber hatten, an denen er trauern konnte.

Hans-Georg gab noch den Anstoß für eine Grabstätte, in der obdachlose Menschen ihre letzte Ruhestätte finden. Sein Name steht auf der ersten Grabplatte.

Ich möchte Euch unseren offiziellen Text nicht vorenthalten:

Was macht ein obdachloser Mensch, wenn ihm seine Isomatte geklaut wurde?

Wo kann er sich warm betten, wenn die Nächte kälter werden?

Warum darf er sein Bier an manchen Plätzen nicht in der Öffentlichkeit  trinken?

Wie sieht es mit einem Bankkonto aus?

Was macht man, wenn man Zahnschmerzen hat?
Auf dieser kleinen Stadttour werden Sie Lebensart und Lebensraum der wohnungslosen Frauen und Männer in unserer Stadt kennen lernen. Parallel dazu weisen wir auf die viele Menschen hin, die sich engagieren, um Unterkünfte, medizinische Versorgung und warmes Essen anzubieten.

Meine Stadttouren zur Obdachlosigkeit, zur Revolution in Kiel und zu den Stolpersteinen findet Ihr unter www.geostepbystep.de.

Christel Pieper, Kiel